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Dr. Harald Pamminger zu Etappenläufen - Der dritte Tag ist der Warum-Tag

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2008 - Hollenlauf

Geschrieben Juni 2008

Punkt fünf schleiche ich mich aus dem Pensionszimmer und steige ins Auto. Wie ich von der Pension zu dem Ort "Bödefeld" komme, hatte ich mir ausgedruckt, aber wo genau da der Start sein sollte, wusste ich nicht. Den Namen Bödefeld kannte ich nur irgendwie aus der Sesamstraße, gewesen war ich hier noch nie, obwohl das Dorf schon seit langer Zeit auf meiner Laufliste steht. Glücklicherweise standen schon an der Ortseinfahrt ein paar OrdnerInnen, alle super professionell mit oranger Warnweste an, und haben mir den Weg zum Parkplatz gewiesen. Sachen packen und runter ins Dorf zum Start. Gleich dabei habe ich mich erst mal verlaufen, ich war wohl noch nicht so richtig wach. An der Schützenhalle habe ich dann meine Startnummer abgeholt und beim Versuch zu bezahlen gemerkt, daß ich mein Geld im Auto liegen lassen hab. Nur die Ruhe, denke ich, erst mal das herrliche Frühstück und vor allem ein paar Tassen Kaffee genießen. Aber viel zu schnell vergeht die Zeit, schon ist es 20min vor dem Start und ich habe noch immer nicht bezahlt. Also im Laufschritt raus aus der Halle. Draußen sehe ich ein paar OrdnerInnne und ein solides Quadt: "Tschuldigung, könntet Ihr mich vielleicht freundlicher Weise.." Kein Problem, eine Minute später bin ich auf dem Sozius des Gelände-Quadts wieder am ca. 1,5km entfernten Parkplatz angekommen und kann, mit meinem Geld in der Tasche, den Berg wieder runter laufen, um knapp vor Start endlich zu bezahlen. Uff, verdammter Stress.

Draußen ist es warm und neblig und überall steht noch das Wasser vom Regen in der Nacht. Eine Erzählung macht die Runde, von den Wanderern, die wohl am Abend vorher mitten in ein schlimmes Gewitter hinein gestartet sind. Manche hätten schon nach wenigen Stunden in Aufgegeben, heißt es. Meine Pension liegt nur ein paar Km entfernt und das Gewitter hat mir gestern Abend das Einschlafen erschwert, denn es hat viel geblitzt und ohrenbetäubend gedonnert. Da wusste ich noch nicht, daß zu dem Zeitpunkt eine Gruppe von Wanderern ins Unwetter hinein gestartet ist. Ich bin froh, daß es jetzt zumindest von oben trocken und in jedem Fall hell ist und bewundere die Wanderer.

Die Strecke macht erst eine kleine Runde von ca. 13km rund um den Ort und ich freue mich, dabei schon an zwei Verpflegungpunkten vorbei zu kommen, denn ich bin durstig und schwitze stark. Das liegt zum Teil an der sehr hohen Luftfeuchtigkeit und dem Nebel in Verbindung mit über 20°C: ich komme mir vor wie in den Tropen. Nachdem wir wieder durch Bödefeld gelaufen sind, geht es erst mal etliche Km bergauf. Die Wege sind fast ausschließlich leicht zu laufende Forstwege und sehr gut markiert. Normalerweise gehe ich ja alle Steigungen, um Kraft zu sparen. Beim Hollenlauf sind allerdings Cutoff-Zeiten bei Km 38 und 58 in der Ausschreibung beschrieben. Um Zeitlich auf der sicheren Seite zu bleiben, laufe ich jetzt leichte Steigungen vorsichtig hoch. Grade so, daß ich zügig voran komme, aber nicht so schnell, daß ich mich verausgabe. Ich weiß, daß ich relativ fit bin, denn ich habe mehr und härter trainiert als je zuvor. Deshalb bin ich etwas schneller als sonst unterwegs, aber dies ist mein erster 100ter seit dem Desaster von Dodentocht im vergangenen Jahr und mein erster 100ter mit Bergen überhaupt, daher bin ich nicht sicher, wie schnell ich laufen kann. 100km sind immer lang, mit und ohne Berge: sich auf den ersten 40 oder 50km zu verausgaben, kann sich bitter rächen, wie ich letztes Jahr lernen musste. Also trabe ich vorsichtig durch den nebel-verhangenen Wald und entscheide mich an jeder Steigung neu: laufen oder gehen?

So geht (oder läuft) das einige Stunden. Die Aussicht schwankt zwischen gut 200m an freien Hängen und höchstens 20m auf den Gipfeln. Am Kahlen Asten selber herrscht so dicke Suppe, daß ich bei einer Straßenquerung vorsichtig horche, denn sogar die Scheinwerfer der Autos sind erst auf eine Leitposten-Distanz zu erkennen. Alle vier bis fünf Km kommt eine Verpflegungsstelle, wo es immer Wasser und fast immer auch leckeres Iso-Zeug gibt. Manchmal sogar Rosinen. Essen habe ich allerdings selber dabei, ich bin so verriegelt, daß ich eine längere Hungerperiode problemlos überstehen würde.

Der Hollenlauf ist als Wendepunkt-Strecke angelegt und man kann sich, auch während des Laufes, entscheiden, ob man die vollen 101 laufen möchte oder schon am Checkpoint Kühude (Km 38) wenden möchte. Plötzlich kommt mir der Spitzenläufer der 67km entgegen. Er rennt durch den Wald, wie der Roadrunner persönlich, fast erwarte ich sein: "Meep, meep"! Auch Wanderer sind jetzt viele auf der Strecke und es gibt ein ständiges überholen und Entgegenkommen, Grüßen und Gegrüßt werden. Nur einer lächelt nicht, ein Wanderer mit schleppendem Schritt und müdem Gesicht. Er hat die Stirnlampe von der Nacht noch auf und sieht aus wie grade vom Kreuz genommen. Ich bin ihm nicht böse, sondern bewundere seine Zähigkeit. Auch als er schon lange vorbei ist, rufe ich ihm innerlich zu: "Halt durch Mann, Du schaffst es!"

Kühude erreiche ich um genau 11:00Uhr, fette zwei Stunden vor dem Zeitlimit. Ich fühle mich noch blendend und habe überhaupt keine Versuchung, auf die 67km um zu buchen. Danach geht es bis zum Rhein-Weser Turm leicht wellig weiter, fast alles ist laufbar und ich lege die 20km bis zum Wendepunkt im flotten 6er Schnitt zurück ohne mich aus zu lasten. Acht Km vor dem Wendepunkt, bei km 50, kommt mir Markus Flick als Führender der 101km-Läufer entgegen. Er macht riesige Schritte und springt voller Elan den Weg entlang. Ich grüße ihn begeistert und wir klatschen im uns im Vorbeilaufen ab. So eine Wendepunkt-Stecke ist wirklich toll: wo sonst kann man als Teilnehmer die Spitze so hautnah erleben, anfeuern und abklatschen? Ich wünsche ich ihm den Sieg von ganzem Herzen. Für ein paar Km bin ich im Geiste mit ihm auf der Strecke: es muss ein tolles Gefühl sein, als Erster hier entlang zu laufen. Fast scheint ein wenig von seiner Energie auf mich übergesprungen zu sein, denn ich laufe selber voller Freude und Begeisterung, als wäre ich es, der hier das Feld anführt. Auch die mir entgegenkommenden Läufer grüße ich ich und werde gegrüßt: Alles Super!

Um punkt 13:00, immer noch anderthalb Stunden vor dem Zeitlimit, komme ich zum Rhein-Weser-Turm. Ich trinke wie an jeder Stelle zwei volle Becher Wasser und mache mich auf den "Heimweg" nach Bödefeld. Ok, rein rechnerisch ist hier schon ungefähr Km 57 und nur noch ein schlapper Marathon vor mir, aber eigentlich ist der Wendepunkt die Mitte; egal was die Mathematik dazu sagen mag. Also habe ich jetzt die Hälfte, fertig!

Ich habe auf den letzten Km vor dem Turm die mir entgegenkommenden LäuferInnen gezählt, und weiß also, daß ich so ungefähr auf Rang 30 bin. Auf dem Rückweg zähle ich noch gut 20 LäuferInnen hinter mir, wir sind also ein wirklich überschaubares Feld geworden. Auf der Meldeliste für die 101km standen noch an die 100 LäuferInnen. Ich überlege, ob die alle nicht angetreten sind, oder von der Möglichkeit auf den 67er um zu satteln gebrauch gemacht haben. Egal, was zählt ist, daß ich auf dem Weg bin meine eigene 100km Bestmarke von 2006 zu unterbieten. Das war in Dodentocht, wo sich die Höhenmeter aus der Summe der Bordsteinkanten errechnen. Heute habe ich gut 2200Hm (und einen KM :-) mehr und bin trotzdem noch schneller. Die Möglichkeit freut und beflügelt mich.

Es ist Nachmittag, die Strecke ist einsam, ich bin alleine und der Nebel ist auch wieder dichter geworden. Einmal überholen mich zwei Läufer, die aber in ihrem überschwang gleich an der nächsten Ecke das Abbiegen vergessen. Es ist eine gemeine Stelle, wo wir von einem breiten, ausgefahrenen Forstweg nach links in einen relativ schmalen Waldweg abzweigen müssen. Ich habe mir die Stelle schon heute morgen (scheint mir Jahre her zu sein) eingeprägt. Jetzt erkenne ich sie wieder und rufe den beiden überholern hinterher. Sie sind gut 100m vor mir und brauchen ein paar Schritte, bis sie mein: "Haaaalt, haalt!&34; (was Schlaueres ist mir nicht eingefallen) richtig interpretieren. Sie brauchen dann ein paar Km bevor sie mich abermals überholen. Danach sehe ich nur an den Verpflegungsstellen noch jemand, sonst ist die Strecke außer mir leer. Außerdem habe ich Hunger, denn alle meine Riegel sind genauso verstoffwechselt wie die 250g Schokolade, die ich dabei hatte.

Jetzt kommt das Dicke Ende: der Kahle Asten will abermals überquert werden. Oben ist es inzwischen kühl, windig und immer noch neblig. Aber ich komme gut voran, denn jetzt sind's nur noch gut 15km bin ins Ziel. Allerdings muss ich erst mal eine treppensteile Skipiste runter, die mir mächtig auf die Knie geht. Wie bin ich heute morgen eigentlich hier hoch gekommen, frage ich mich? 150Hm weiter unten kommt noch ein weiterer Berg namens "Hundegrab". Also wieder rauf, rüber und noch sechs Km bis ins Ziel. Gut das auf diesen sechs Km noch zwei Verplegungsstellen sind, denn der Weg kommt mir endlos vor. Vor allem die aller letzten drei Km mit Bödefeld vor den Augen. Egal, ich trabe locker weiter, die Bestzeit ist mir sicher und sogar unter 12:30 ist noch drin wie ich jetzt merke.

Und dann endlich, kurz vor 19:00 der Zielbogen! Uff, wo gibt's die Medaille? Und Essen? Ich melde mich in der Sporthalle, bekomme meine hart erkämpfte Medaille und erfahre, daß meine Urkunde noch ein paar Minuten braucht. Ich bin zu müde und zu hungrig um zu warten, und schlage vor, daß ich die Urkunde einfach im kommenden Jahr abhole, denn hier werde ich bestimmt wieder starten. Auch die zwei Läufer, die mich vorhin überholt haben, treffe ich hier. Allerdings bleiben sie mir das Bier, das sie mir vorhin großzügig als Dank angeboten haben weil ich sie auf den Abzweig hingewiesen habe, schuldig.

Draußen setzte ich mich zu Steffen, mit dem ich vor vier Wochen schon im Westerwald gelaufen bin und wir essen erst mal richtig. Dann will ich nur noch in's Bett und gehe gaaanz langsam zum Auto.

Fazit: so eine Wendepunktstrecke ist eine tolle Sache, die Orga hier setzt Maßstäbe und Markus hatte definitiv recht, als er den Hollenlauf als den schöneren Rennsteig bezeichnet hat.

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