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2088 - Rheinsteig von Braubach nach St. Goarshausen

Geschrieben Mai 2008

Es gibt Laufberichte, die sich fast von selber schreiben. Da lege ich einfach nur die Finger auf die Tastatur, und schon steht der Text. Hier nicht. Dieser Tag hat einen Anfang und ein Ende, ein :"ich fahre hin" und ein: "ich habe fertig", aber der Lauf selber: was war das?

Die harten Fakten sind schnell erzählt: ca. 40km und 1400Hm auf dem Rheinsteig von Braubach bis St. Goarshausen. Doch noch immer habe ich das Gefühl, diese Tatsachen, Meßwerte und Rahmendaten haben kaum etwas mit dem Erlebnis selbst zu tun; sie sind nur wie das Bett, in dem ein Schläfer liegt, in der Erzählung eines Traumes.

die Marksburg


Die die Loreley, wie oft habe ich sie gesehen. Als Kind, wenn ich mit meinen Eltern im Zug in den Urlaub gefahren bin, habe ich immer am Fenster gestanden und bei jedem Felsen gefragt, ob das jetzt die Loreley ist. Wie oft habe ich auf Jugendfahrten von der Burg Rheinfels aus zu ihr rübergeschaut. Bin manches mal auf Motorradtouren durchs Rheintal gefahren, und habe ihr gegenüber Eis gegessen. Es war sicher kein Zufall, daß mein allererster Ultra der Rheintalultra war, der von Koblenz nach Bingen grade an der Loreley vorbei führt, wenn auch auf dem flachen Uferradweg. Heute sollte es soweit sein: ich wollte endlich auf dem Ostufer zu ihr hochsteigen und vom wohl deutschesten aller Felsen hinabschauen.

auf dem Rheinsteig


Gleich vom Start weg geht der Steig steil nach oben zur Marksburg hinauf. und von da aus hoch über dem Rhein weiter. Und irgendwo da hat es mich wohl erwischt: die Traumphase. Der Traum selber handelt von einer warmen Sommerbrise auf meiner Haut und Sonne im Gesicht. Ich spüre die Wärme und rieche den Frühling. Von verschlungen Pfaden im Frühlingsgrün und herrlichen Aussichten.

Wenn ich keine Ohren hätte, würde ich im Kreis grinsen :-)


Auf dem Rücken trage ich meinen Trinkrucksack, aber dank sommerlicher 27°C ist er kurz oberhalb von Burg Sterrenberg (km 18) alle. Deshalb mache ich dort etwas Pause, fülle den Rucksack wieder mit frischem Wasser und trinke auf der schattigen Aussichtsterrasse eine kühle Apfelschorle. Auf dem Weiterweg bekomme ich bald wieder Durst, aber das Wasser im Schlauch ist warm von der Sonne und schmeckt schal. Grade kommt mir der Gedanke: "ich hätte mir Eiswürfel in die Trinkblase packen sollen" als ich merke, daß nur das Wasser im Schlauch so warm ist, während aus dem Rucksack selber herrliches, frisches und eiskaltes Wasser nachströmt. Ich trinke mit gierigen Schlucken und kann gar nicht genug bekommen, von dieser Frische.

Sonne satt!


Ab Sterrenberg läuft der Rheinsteig viel in der Sonne, über Wiesen, Felder und Weinberge, bis oberhalb von Kestert nach gut 30km die Hälfte der geplanten Strecke geschafft ist. Ein Blick auf die Uhr und ich staune nicht schlecht: ich bin schon fast fünf Stunden unterwegs. Wieso bin ich eigentlich so langsam? Egal, es läuft alles prima, also weiter, schließlich will ich heute bis nach Kaub und damit über die Loreley. Mehrfach durchläuft der Weg die tiefen Einschnitte der Seitentäler. Das bedeutet immer angenehmen Schatten und ein Eintauchen in Wald und Grün. Außerdem finde ich dort auch manchmal kleine Bäche, an denen ich das weiße Tuch, das ich als Schutz vor der Sonne trage, nass machen kann. Ahh, tut das gut, wenn ich es kühl und feucht über den Kopf ziehe! Aber im Sommerwind ist es auch ruck-zuck wieder trocken, sobald ich aus dem Tal wieder empor geklettert bin.

Oberhalb von Burg Sterrenberg


Auf einmal sehe ich knapp unter mir die etwas düstere Ruine der Burg Maus - auf der anderen Talseite, wo sonst. Irgendwo müssen die Höhenmeter ja herkommen. Die gewaltige Schlucht, die zwischen mir und der Burg liegt, ist tief wie der Ozean (subjektiver Eindruck :-) Daß mein Trinkrucksack schon wieder leer ist, macht den Abstieg zwar leichter, aber der Aufstieg wird trotzdem, oder grade deswegen, eine beschwerliche Sache. Bis ich endlich auf der anderen Seite des Abgrundes wieder von oben auf den Turm schauen kann, vergeht fast eine Stunde.

  

Burg Maus: von Norden, von unten und von Süden (Man sieht noch die oberste Turmspitze)


Nach vielen Serpentinen im Eichenwald, geht's wieder raus in die Sonne. Mir wird heiß und ich habe Durst. Kein Restaurant, kein Haus, kein Dorf, kein Schatten; dafür immer wieder ein herrlicher Ausblick über das Rheintal. Mir kommt "Die Bürgschaft" von Schiller in den Sinn: ein Laufbericht in Versen über einen historischen Helden (heute würde man ihn "Terrorist" nennen). Dort heißt es in Vers zwölf:
Und die Sonne versendet glühenden Brand
und von der unendlichen Mühe
ermattet sinken die Knie

Allerdings findet Damon sogleich eine Quelle, aus der er dann, dank der guten alten Zeit, auch bedenkenlos trinken kann:
Und freudig bückt er sich nieder
und erfrischet die brennenden Glieder

auf dem Rheinsteig


Na ja, denke ich mir: vielleicht gibt's in St.Goarshausen, was laut Schild keine zwei Km entfernt ist, ja eine zeitgemäße Verpflegungsstelle. Aber der Tag war so schön, so leicht und glücklich: ich möchte mich jetzt nicht quälen. Was soll der Stress, wo doch dort der Rheinsteig quasi über den Bahnhof führt. Hier an dieser Stelle macht es sich bemerkbar, daß ich alleine unterwegs bin; es fehlt einfach jemand, der dieses Tief mit einem Verweis auf die nur noch sieben Km bis zur Loreley wegwischen kann. Und so beende ich diese Etappe nach fast sieben Stunden an diesem Bahnhof, fünf Km vor der Loreley.

Sie wird mir nicht weglaufen :-)




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