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Gudrun Ellenberger,100km Läuferin aus Melsungen - Früher haben wir ja gar nicht so trainiert. Wir sind die 100km einfach gelaufen

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2013 - Läufer sind Jäger

Geschrieben Juni 2013

Gestern Abend wollte ich nach einem langen und stressigen Tag noch eine schöne kleine Runde drehen, meine 4km-Hausstrecke. Nach gut der Hälfte biegen plötzlich von rechts drei junge Männer auf die Strecke ein: Entfernung ca. 200m.
Sofort hat mein Instinkt ihre Laufstile, Körperhaltung und vor allem ihr Tempo erfasst: GEGNER! Jagd-modus! Adrenalin schießt in's Blut und ich beschleunige selber auf Renntempo. Allerdings habe ich hier definitiv Läufer und keine Jogger vor mir: es dauert über einen Km, bis ich "dran" bin.

Ich will sie unbedingt kriegen, ich brauche das jetzt. Egal wie mein Herz hämmert, das muss jetzt sein, es ist die Zeit für Sieg oder Tod. Zwei der Männer laufen im Gleichschritt neben einander, der dritte hängt ein paar Meter zurück. Ich passe meine Schrittgeschwindigkeit den zwei Vorkämpfern an, so dass das Trio mich nicht hören kann. Allerdings mache ich meine Schritte deutlich länger, schließlich will sie ja überholen. Ganz langsam und unbemerkt komme ich näher, jetzt sind es nur noch zehn Meter.
Der Hintermann ist merklich angestrengter als die beiden vorne: um den brauche ich mich nicht zu kümmern. Aber die beiden vorne verstehen was vom Laufen: schöne weiche Schritte, deutliche Armbewegung, aufrechte Haltung. Alle drei sind etwa Anfang zwanzig und damit halb so alt wie ich. Ich weiß, dass die sich nicht gerne von mir schlagen lassen werden, das wird hart werden. Aber ich weiß auch etwas, was sie nicht wissen können: an meiner Wand hängen ein paar schicke Alters-Klassen-Siege und Plätze und mein Tempo-Training nach Greif macht mich immer schneller.

Jetzt haben sie mich bemerkt, die Heimlichkeit ist vorbei, die Jagt ist eröffnet. Ich gehe in meine eigene Schrittlänge und beschleunige massiv: schluss mit Windschatten-Anschleichen, jetzt gilt der offene Angriff. Der Hintermann ergibt sich sofort kampflos und weicht erschrocken zur Seite. Netter weise warnt er seine Kumpels mit einem demütigen "Uff". Ich weiß um die Wirkung solcher Ur-Laute: ein "hargh" hätte bei den beiden Anderen Aggression und Angriff ausgelöst, während jetzt seine Warnung ehr lähmend auf sie wirkt. Im Vorbei-Ziehen mit persönlicher Maximal-Geschwindigkeit spüre ich das kurze Zögern eines der beiden Vorderen. Er überlegt, ob er mit ziehen soll. Und resigniert.

Der Dritte greift an. Verdammt. Wenn der im Leichtathletik-Verein ist macht er mich fertig. Ich fühle, wie alle Wettkampf-Hormone zugleich in seine Adern fließen. Das Rennen ist da, er und ich. Ich und er. Wir kämpfen auf gleicher Höhe und wir wissen beide, dass es nur noch 200m bis zum Gitter an der Kreuzung sind, wo wir nur hinter-einander durchkommen. Und der Durchlass ist auf seiner Seite. Wir wissen beide, als hätten wir es besprochen, dass dort das Ziel ist, das es dort entschieden sein wird.
Aber diese 200m gehen ganz leicht bergauf. Und nach der Hälfte merke ich, dass die Atmosphäre des Planeten groß ist, aber nicht groß genug für ihn und mich. Die Luft brennt in meiner Lunge, als ich sie ihm weg sauge. Er fängt an zu keuchen, seine Arm-Bewegungen werden unkoordiniert, er versucht es noch einmal, kommt einen halben Schritt vor .....

... und bricht ab. Ich bin vorbei und fliege mit Lichtgeschwindigkeit durchs Ziel.

Wow, jetzt nicht nachlassen, ich habe noch 100m bis nach hause. Wenn ich jetzt Schwäche zeige, würde er vielleicht doch noch mal angreifen. Ich blicke über meine Schulter: nichts.
Aua, weiter traben, Schulterblick: nichts. Diesmal habe ich gewonnen.

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