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2014 - Frechener Frühlingslauf

Geschrieben Mai 2014

Nach dem Desaster von Kerpen habe gleich in Frechen angemeldet: niemals aufgeben, immer weiter kämpfen! Heute ist Frechen.

Als Support-Crew ist Annette dabei und Susanne auf dem Weg. Das Wetter ist super, kühl, sonnig, trocken und windstill. Die Startunterlagen habe ich gestern schon abgeholt und meine Sachen sind seit Tagen gepackt: wer das Ziel nur so gerade eben erreichen kann, muss jeden noch so kleinen Vorteil nutzen. Wir sind pünktlich da, ich habe Zeit mich warm zu machen und alle Vorzeichen sind günstig. Und wenn sie's nicht wären, würde ich sie passend um-interpretieren!

Ich stelle mich in die dritte Startreihe, denn das Feld ist lang und schmal. Wenn ich meine 19:xx endlich schaffe, werde ich so auf Rang 20 ankommen. Also stehe ich auch etwa auf Position 20 am Start. Leider machen das nicht alle so: vor mir steht eine Gruppe von fünf Jungs, so um die 15 Jahre alt, von denen sicher nicht alle schneller sind als ich. Countdown, START!

Der Start liegt leider nur wenige Meter vor einer scharfen Kurve und alles drängt sich natürlich nach vorne. Klar, grade bei denen, die aus den ersten Reihen starten, ist der Ehrgeiz groß. Sonst wären sie nicht da. Und sonst hätten sie auch nicht genug trainiert, um hier vorne zu starten. Ich habe zumindest für die dritte Startreihe genug trainiert und ich bin sicher auch verbissen genug, um jede Sekunde zu kämpfen.

Die Jungs vor mir sind aber dummer weise viel langsamer als ich, kommen gar nicht richtig los, und bleiben auch noch dicht zusammen. Einer wird von links genau in meine Bahn gedrängt (da drüben ist also noch jemand energisch bei der Sache) und ich kann nicht ausweichen. Zack, meine scharfen, spitzen, gut profilierten und besonders griffigen Sohlen meiner NB 5000r beißen einem der Jungs mächtig in die Wade. Der startet demnächst sicher schneller oder weiter hinten. Egal, er taumelt und ich bin vorbei und um die erste Kurve rum: das Rennen ist eröffnet, die Bahn ist frei!

Dummerweise habe ich bei dem Start-Stress vergessen, meine Uhr zu starten. Egal, ich laufe einfach nach Gefühl, passt schon.

Schnell sein, laufen, rennen, Druck machen! Ich will, ich will, ich will. Diese Gedanken sind alles, was in meinem Kopf übrig ist. Ich laufe mitten auf der Straße wo sie grade ist, und nehme absolute Ideal-Linie in den Kurven. Sofort merke ich, dass die anderen Läufer hier vorne das genau so machen und achte drauf, beim überholen mit Sicherheits-Abstand wieder ein zu scheren, schließlich will ich nicht selber eins in die Waden kriegen. Und ich weiß es: hier vorne wird keiner von uns eine Sekunde verschenken.

Bis Kilometer drei läuft es super, die Strecke ist flach und schnell. Und dann stehe ich plötzlich vor der Eiger-Nordwand! Die Straße läuft fast senkrecht eine gewaltige Steilwand hinauf. Gefühlt zumindest. Tatsächlich sind es wohl nicht mal 20 Höhenmeter auf 200m, aber wie gesagt: subjektiv könnte man hier besser Free-Climbing und BaseJumping machen als laufen. Ich mache die Schritte kurz und der Atem wird pfeifend. Ich weiß, dass ich an diesem Berg jede Chance auf eine Zeit unter 20min vergebe. Aber seit Moers weiß ich auch, dass ich trotzdem kämpfen kann. Dass ich nicht aufgebe, egal wie hart es ist. Das ich immer weiter meine Bestes gebe, bis zum Zielbogen. Und wenn die 19:xx heute nicht drin sind, weil die Strecke zu schwer ist: dann eben beim nächsten oder übernächsten Versuch.

Jeder Berg hat einen Gipfel und obwohl ich jetzt am Limit bin, zwinge ich mich, die Schritte lang zu machen. Laufen. Da ich die Zeit nicht mit gestoppt habe, weiß ich nicht genau wie weit mich der Berg hinter meine 20min-Schallmauer geworfen hat, aber ich will einfach mein Bestes geben. Ich will sicher wissen, das ich hier und heute alles gegeben und alles versucht habe.

Das Kilometer-Schild vier liegt schon lange hinter mir, ich gehe auf die letzten Kurven im Ort, als ein Trainer, der seinen Schützling hier auf dem Rad begleitet, ihn mit den Worten: „Jetzt 18 Minuten!“ anfeuert. Wie? Hier erst 18min? Dann schaffe ich die 19:xx ja doch? Ich gebe noch mehr Druck. Und da vorne, an der hoffentlich letzten Kurve, steht auch noch Annette! Rennen, Rennen! Ja, es ist die letzte Kurve, da vorne ist der Zielbogen. Und ich fliege. Wahnsinn, so schnell rennen zu können. Geil! Und dann sehe ich die Uhr! 19:36!

Wahnsinn! Wahnsinn! Ich kann es nicht fassen! Ich habe es geschafft! Und zwar so richtig. Nicht nur grade so eben, sondern richtig deutlich unter 20!

Ich schreie 19! 19! 19! und bin vor Begeisterung außer mir. Ich setzte mich und die Tränen stehen mir in den Augen, vor Freude, Erschöpfung, Erleichterung und Glück. Ich habe es geschafft!

Kaffee gleich neben dem Zielbogen


So sehen Sieger aus!




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