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Sarita Earp - I never give up

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2020 - Die Abmahnung

Jemand musste Florian B. abgemahnt haben, denn ohne daß er etwas Böses getan hatte, war er eines Morgens verurteilt (in Erinnerung an Franz Kafka und den Prozess).


Wut, wohin mit meiner Wut? Immer wieder steigen die Erinnerungen in mir auf, an das was mir angetan wurde und jedes mal erfasst mich die Angst, dass es jederzeit wieder passieren kann. Ich will Gerechtigkeit, aber ich habe Angst, denn es kann jederzeit wieder passieren.
Es gibt keine Gerechtigkeit, das Gericht hat mich verurteilt: wenn ich je wieder hierzu die Wahrheit sage, werde ich zu gut 2000 Tagessätzen verurteilt. Und wenn ich die nicht zahlen kann, werden wir aus dem Haus vertrieben und ich komme ins Gefängnis. Also 250.000€ Strafe oder sechs Monate Knast!

Wie konnte es dazu kommen? Ich bin ein braver Bürger und versuche immer ein guter Mensch zu sein. Ich bin ein anständiger Vater, guter Angestellter und verlässlicher Kamerad bei der Freiwilligen Feuerwehr. Ok, ich fahre ab und zu schneller als dran steht, aber ich habe keine Punkte in Flensburg. Und alle paar Jahre bekomme ich auch ein Ticket für falsches Parken. Aber was habe ich getan, damit mir Gefängnis droht?

Irgendwann kam ein Brief von der Polizei, dass gegen mich wegen Körperverletzung ermittelt würde. Wow, was ist da los? Ich weiß natürlich ganz sicher, dass ich niemandem ein Haar gekrümmt habe, aber warum ermittelt die Polizei gegen mich? Ich will das schnell aufklären und rufe die angegebene Telefonnr. bei der Polizei an. Aber niemand will mich vernehmen, keiner will mich verhören. Aber um raus zu finden, worum es geht, brauche ich eine Anwaltskanzlei, denn nur die dürfen Akteneinsicht verlangen, wird mir am Telefon gesagt.

Also suche ich im Internet nach einer Kanzlei, die für mich die Akten besorgt, damit ich weiß, warum gegen mich ermittelt wird. Und ich finde eine, die gute Bewertungen hat und anbietet die Akteneinsicht für 95€ zu machen. Klar ist das ein Wahnsinnspreis! 95€ für zwei Standard-Briefe: einen an die Polizei und einen an mich. Aber die ist die preiswerteste, die ich finde, also mache ich hier einen Termin.
Wenn ich selber Jurist wäre, dann hätte ich seitenlanges Kleingedrucktes verstanden. Da seht nämlich angeblich irgendwo, dass die Akteneinsicht gar nicht alleine geht, sondern man so eine Art Abo-Vertrag über viel mehr abschließt. Und dass die Kanzlei wesentlich mehr als die fett gedruckten 95€ kassieren darf. Aber wenn ich selber Anwalt wäre, dann würde ich ja keine andere Kanzlei brauchen.

Beim Termin in der Kanzlei habe ich also gesagt, dass ich die Akteneinsicht will, damit ich endlich erfahre, wen ich denn angeblich verletzt hätte. Und damit die Kanzlei für mich tätig werden kann, sollte ich einen ganzen Stapel Papier unterschreiben. Wegen dem Datenschutz und weil das so vorgeschrieben sei, wurde mir gesagt. Ok, ich hab's unterschrieben, weil ich genau wie wir alle weiß: ich verstehe das Juristisch nicht und ich bin darauf angewiesen, dass ich nicht betrogen werde. Zur Sicherheit habe ich sogar noch mal deutlich gefragt: was kostet denn das? Und die Kanzlei hat geantwortet: "So wie das im Internet seht." Ich habe gedacht "95€" und sie hat gewusst, dass ich jetzt erledigt bin, aber gesagt hat sie es nicht.

Ich habe also geduldig zu hause darauf gewartet, dass die Kanzlei mir die Akten von der Polizei schickt. Es kam tatsächlich Post, aber von der Polizei selber. Verfahren eingestellt. Das ist super, ich fühlte mich in meinem Glauben an den Rechtsstaat bestätigt. Wer nichts verbrochen hat, wird auch nicht bestraft, habe ich geglaubt.

Dann kam die Post von der Kanzlei: 470€. In Worten: VIERHUNDERTSIEBZIG EURO! Aber keine Akten. Auf Nachfrage wurde mir geschrieben, dass ich die Akten in der Kanzlei einsehen könnte, wenn ich vorher die 470€ überweisen würde.

Ich bin aus allen Wolken gefallen! Wie kann jemand so komplett außerirdisch sein, 470€ für zwei einfache Briefe kassieren zu wollen? Selbst 47€ wären schon sittenwidrige Abzockerei und die beworbenen 95€ noch schlimmer. Aber 470€! Ich bin fassungslos erschüttert.

Aber die Kanzlei ist clever: gelbe Umschläge, Mahnbescheid, lange Briefe ich hätte das im Kleingedruckten unterschrieben: ich bekomme Angst und zahle. Ja, die Kanzlei wird jetzt mit meinem Geld einen schönen Urlaub machen. Mit meinem Geld Eis essen. Ich werde meinen Kinder leider sagen müssen, dass wir diesen Sommer nicht weg fahren, aber die Kinder der Kanzlei werden sich vielleicht über eine Taschengeld Erhöhung freuen.

Ich schreibe also eine Bewertung auf der Internet-Platform, wo ich auf die Kanzlei rein gefallen bin:
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Vorsicht: 470€ Vorkasse für eine einfache Akteneinsicht

Ich hatte die Kanzlei gebeten, mir Akteneinsicht in einem Strafverfahren gegen mich zu verschaffen. Nach ein paar Wochen kam dann eine Rechnung über 470€, aber keine Akteneinsicht. Auf telefonische Nachfrage kam, statt der erhofften Kopien, eine Zahlungserinnerung.

Ich habe dann mal per Brief nach meinen Akten gefragt und bekam zur Antwort: erst die 470€ überweisen, dann die Kopien. Oder ich könnte die Unterlagen in der Kanzlei einsehen, aber nicht mit nehmen.

Ich war von beidem negativ überrascht: sowohl von den krassen Kosten als auch von der Vorkasse. Ich will von der Kanzlei nie wieder was hören.
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Diese Bewertung ist die Wahrheit. Jedes Wort in dieser Bewertung ist wahr! Nicht mal das Gericht, das mir für diese Wahrheit mit Gefängnis gedroht hat, hat das bezweifelt. Richtig ist auch: es ist die Wahrheit aber nicht die ganze Wahrheit. Zur GANZEN Wahrheit fehlen zwei Absätze. Ein Absatz, den ich gewusst habe und hätte schreiben können.

Ich hätte schreiben können, dass ich die Kanzlei für Gangster halte. Ich bin überzeugt, dass sie ganz genau gewusst hat, dass ich mit 95€ rechne und sie viel mehr berechnen wird. Ich hätte was von Ratten in Roben schreiben können, von Geld dass die mir und meinen Kindern genommen haben. Ich hätte von üblen Tricksern, Täuschern und Banditen schreiben können. Habe ich aber nicht. Ich habe nur genau den Text hier geschrieben. Sachlich, ehrlich, wahr.

Ich hätte aber noch mehr schreiben müssen, hat mich das Gericht später belehrt. Ich hätte schreiben müssen, dass mir hätte klar sein können, dass ich einen Vertrag über Rechtsberatung, Vertretung vor Gericht und und ein paar andere Sachen unterschreibe. Ich hätte schreiben müssen, dass es keinen Auftrag über Akteneinsicht gibt, sondern wir Nicht-Juristen immer ein pauschales Komplett-Paket buchen müssen, was ja jeder wissen müsste und niemand überraschen dürfte. Habe ich aber nicht. Ich habe nur genau den Text hier geschrieben. Sachlich, ehrlich, wahr.

Und weil ich den Text genau so geschrieben habe, kam eine Abmahnung von der Kanzlei. Ich war mir keiner Schuld bewusst, denn die Bewertung ist ja vollkommen wahr. Also habe ich die Kanzlei freundlich gefragt, was genau an dieser Bewertung sie kritisieren würden und was ich ändern soll.

Statt einer Antwort war eines Tage ein Schreiben vom Gericht in meinem Briefkasten: VERURTEILT. Wenn ich die Bewertung je wiederhole muss ich 250.000 Euro Strafe zahlen oder sechs Monate ins Gefängnis! Ich bin vom Donner gerührt. Es gab keine Verhandlung, ich wurde nie gefragt, niemand wollte meine Position dazu hören, ich konnte mich nicht verteidigen, nichts. Ich bin einfach in Abwesenheit in einem Verfahren verurteilt worden, von dem ich nicht mal wusste!


Eine Jurist*in würde das spezieller formulieren: ich bin nicht verurteilt worden, sondern es gab einen Beschluss zur Einstweiligen Verfügung (oder so ähnlich, ich bin halt kein Jurist). Der Wahnsinn: ich habe niemand irgendwas getan, kein Verbrechen begangen: gar nichts. Und soll doch in's Gefängnis, weil ich die Wahrheit gesagt habe? Wahnsinn.

Und jetzt? Jetzt brauche ich eine andere Kanzlei um mich gegen die erste zu verteidigen. Die neue Kanzlei sagt mir wenigstens ganz ehrlich, dass sie etwa 1000€ von mir kassieren würde um ich zu verteidigen. Das ist zwar für uns normale Menschen immer noch völlig unvorstellbar, aber wenigsten ehrlich.

Und es gibt einen Gerichtstermin. Aber leider keine Hoffnung: ich hätte vorher wissen müssen, selber Jura studiert haben sollen, etc. etc.
In der Verhandlung waren sich alle außer mir völlig einig, dass ich auf keinen Fall die Wahrheit schreiben durfte und dass Gefängnis für das öffentliche Wiederholen der Wahrheit ganz angemessen wäre. Ich höre, wie dass Gericht mir erklärt, ein Vergleich wäre am besten für mich, denn sonst würde es nur noch teuer und ich würde verurteilt. Und die zweite Kanzlei stimmt dem voll zu. Ich habe Angst vor dem Gefängnis. Meine Familie braucht mich. Wahrscheinlich hätte mich das Gericht nicht sofort zu Gefängnis verurteilt, aber so ist es bei mir angekommen. Vergleich oder Urteil. Und das Wort "Ordnungshaft" stand mehr als Deutlich in dem Einschreiben, was ich vom Gericht bekommen habe.
Deshalb bin ich jetzt verglichen, weil das besser für mich wäre. Aha.

Das Verstörendste ist, dass die Kanzlei in ihrer eidesstattlichen Versicherung, die sie bei Gericht vorgelegt hat, einen bösen, sachverzerrenden Fehler gemacht hat: Namen vertauscht. Und das Gericht hat das ganz locker weg gewischt, war ja nur ein Flüchtigkeits-Feheler, wir wissen ja, was gemein war... Merke: Jurist*innen dürfen falsche Eidestattliche Versicherungen bei Gericht vorlegen und Bürger*innen gehen in den Knast, wenn sie eine Dreizeiler-Wahrheit irgendwo im Internet schreiben.

Also: falls die erste Kanzlei je wieder Lust auf Geld hat, könnte sie einfach behaupten, ich hätte noch mal die Wahrheit geschrieben und schon kommt der Gerichtsvollzieher. Für immer. Jedes mal. Denn ich bin Jurist*innen offensichtlich ausgliefert. Es gibt keine Chance.

Ich werde für immer in dem Bewusstsein leben müssen, dass ich ausgeliefert bin. Es gibt keine Gerechtigkeit. Ich wache Nachts auf und laufe zum Briefkasten in der Angst es könnte wieder Post vom Gericht drin sein. Ich trage jetzt zum Schlafen eine Zahnschiene, weil ich mit den Zähen knirsche, wenn ich von der Verhandlung träume. Ich mache nicht mehr die Tür auf, wenn es klingelt, denn ich habe Angst vor dem Gerichtsvollzieher. Ausgeliefert, hilflos, wehrlos, verzweifelt. Die Kanzlei kann jetzt jederzeit meine Existenz und meine Familie zerstören und die Angst frisst mich auf. Aber ich kann nichts dagegen machen.

Ich habe in diesem Text die geschlechtsneutrale Bezeichnung "Kanzlei" gewählt, um nicht Anwalt oder Anwältin sagen zu müssen, um nicht in's Visier der Kanzlei zu geraten.

Mein Rat an alle Menschen da draußen: haltet Abstand von Jurist*innen! Vor Gericht gibt es keine sachlichen Argumente: nur Paragraphen. Und es gibt keine Logik, sondern Gesetze. Und niemand kann den Ausgang eines Verfahrens vorhersagen.

Ach ja: die 2. Kanzlei, die mir gesagt hat dass sie ca. 1000€ von mir kassieren würde, hat natürlich 1000 zzgl. ca 10% in Rechnung gestellt. Jurist*innen halt. Was will man von denen schon erwarten?
Alles in allem habe ich an Anwalts und Gerichtskosten fast 2000€ bezahlt und lebe immer mit einem Bein im Gefängnis, weil ich niemandem etwas getan und die ehrliche Wahrheit gesagt habe.




Nachtrag, sechs Monate später:
Manchmal hat das Leben seltsame Wendungen parat. Kaum war ich zu der Erkenntnis gelangt, dass Jurist*innen generell nicht zu trauen ist, bin ich zum ehrenamtlichen Richter am OVG Münster berufen worden. Und ich werde ganz sicher nach bestem Wissen und Gewissen handeln. Evtl. kann ich der katastrophalen Erfahrung von widerfahrenem Unrecht noch bessere Erfahrungen gegenüber stellen. Ich lasse noch nicht alle Hoffnung auf Gerechtigkeit durch das Gesetz fallen und ich gebe dem Rechtsstaat noch eine Chance. Wenn ich Richter bin, soll unter keinem Unrecht mein Name stehen.

Fazit: alles muss man selber machen, sogar den Rechtsstaat.



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