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Mahatma Gandhi - Du und ich: Wir sind eins. Ich kann dir nicht wehtun, ohne mich zu verletzen

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2021 - Schweden

Geschrieben Februar 2021


Prolog: wenn dieser Text in einigen Jahren gelesen wird: es gibt grade eine Corona-Virus-Gattung, die sehr schnell mutiert, von Tieren und Menschen übertragen wird und schwere Krankheit oder auch Tod verursachen kann. Vor allem Menschen in Pflegeheimen und auch andere, häufig alte und gebrechliche Menschen sind ernsthaft betroffen. Allerdings haben viele Menschen überhaupt gar keine Symptome und nur wenige werden überhaupt krank. Es stirbt nur rund eine Person pro 1000 EinwohnerInnen und das Durchschnittsalter der Verstorbenen ist über 80.

Die Obrigkeit hat trotzdem extreme Maßnahmen durchgesetzt. Versammlungen und Demonstrationen sind praktisch verboten, die Religionsfreiheit eingeschränkt, es gibt tatsächlich Ausgangssperren und die Menschen müssen Masken tragen. Viele Geschäfte und Restaurants haben zu, Schulen geschlossen, Fitness-Studios und Schwimmbäder sind ruiniert, Ladeninhaber sind bankrott. Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit machen sich breit. Aus Ausgangssperre und gesichtsloser Einsamkeit folgte eine starke Zunahme von häuslicher Gewalt und psychischen Problemen, vor allem Kinder sind stark betroffen.

Ich werde 50! Und ich will endlich wieder lächelnde, fröhliche und lachende Menschen sehen. Aber feiern ist illegal und Freude ist verboten. Zumindest in Deutschland. Aber es gibt ja noch andere Länder, wo die Menschen ihre Freiheit erfolgreich verteidigt haben. Zum Beispiel Schweden. Und da stirbt auch nur rund eine Person pro 1000 EinwohnerInnen.

Antigen-Test Ergebnis Flughafen Amsterdam


16. Februar
Manche Menschen glauben, dass der so genannte LockDown irgendwas positives bringen würde, haben große Angst vor dem Virus und machen mir schwere Vorwürfe, weil ich nach Schweden fahre. Grade hatte ich ein sehr trauriges Telefonat mit jemand, deren Meinung mir sehr wichtig ist und die ich enorm respektiere. Sie war sehr aufgewühlt, hat mir verletzende Dinge gesagt und dann vor Wut und Verzweiflung aufgelegt. Ich bin traurig, weil Menschen die sich eigentlich lieben, sich wegen unterschiedlichen Bewertung von Fakten persönlich angreifen. Fast alle wollen Frieden und Sicherheit und manche glauben halt, dass Militär und Atombomben der richtige Weg sind, während andere Frieden und Abrüstung wollen. Sie streiten eigentlich nur über den richtigen Weg zum selben Ziel, sehen sich aber auf ganz verschiedenen Seiten.
Ganz ähnlich ist es mit den radikalen Einschränkungen, die die Obrigkeit jetzt angeordnet hat. Fast alle wollen Gesundheit für alle, aber die einen sehen den Weg dahin im Einsperren und Vereinzeln während die Anderen statt dessen lieber ein besseres Gesundheitssystem und mehr Krankenhäuser und Medizinisches Personal wollen. Wir wollen eigentlich alle das gleiche gute Ziel erreichen und doch feinden sich die Menschen gegenseitig an.

17. Februar
Heute habe ich über Freunde eine 25er Packung Corona-Schnelltests bekommen. Damit können wir uns jederzeit selber auf Corona testen. DANKE!

Flughafen Amsterdam Flughafen Stockholm Morgens im Gym


18. Februar
Wir waren heute beim offiziellen Corona-Test. Dabei dauert es mindestens 24h bis das Ergebnis fest steht, aber wir brauchen das Zertifikat vom Labor um Fliegen zu dürfen. Ohne diese Bescheinigung können wir nicht in Schweden einreisen. Diese Tests laufen so ab, dass man ein dünnes Stäbchen ganz tief in die Nase und den Rachen geschoben bekommt. Also wirklich ganz tief! Das ist unangenehm aber aushaltbar.
Abends hab ich aus Interesse mal den ersten Schnelltest gemacht. Unglaublich, wie weit man dieses Stäbchen schieben kann. Wenn man immer weiter die Nase rauf schiebt, kommt man irgendwann ganz hinten im Kopf irgendwo an. Da ist noch nie irgendwas gewesen! Und die Nerven da hinten sind zum aller ersten mal berührt worden. Ein sehr bizarres Gefühl. Wenn ich das Teststäbchen ein bisschen hin und her bewege, kann ich mich mitten im Kopf kratzen! Verrückt.

19. Februar
Den ganzen Tag habe ich Angst und Sorge. Wir wollen von Amsterdam aus nach Stockholm fliegen. Kommen wir über die Grenze nach Holland? Erreichen wir unseren Flieger pünktlich? Auf den Webseiten des Auswärtigen Amtes klingen die Warnungen vor Reisen nach Schweden oder Holland etwa so, als wollten wir nach Somalia oder in ein anderes Kriegsgebiet. Werden wir das schaffen?

Stockholm Stockholm Stockholm


Zehn Minuten vor drei kommen die Mails mit den Testergebnissen: wir sind alle negativ und fahren gleich los. Die Fahrt verläuft absolut unspektakulär. So wie jede andere Fahrt nach Holland auch. Keine Grenzkontrollen, keine Einreisesperren. Gar nichts. Am Flughafen Amsterdam haben wir noch reichlich Zeit und essen erst mal gemütlich. Schon das ist etwas ganz Besonderes für uns, weil in Deutschland seit Monaten alle Restaurants zu haben. Aber so ist sogar das Essen im BurgerKing ein echtes Gefühl von Freiheit. Beim Checkin gibt es noch eine überraschung: wir dürfen unsere 0.5l-Colaflaschen mit rein nehmen. Das ist jetzt erlaubt. Allerdings prüfen sie meinen Koffer, wohl wegen der Schnelltests, die ich dabei habe.

Wir fliegen mit KLM. Ein schöner neuer Flieger mit sehr gutem und leckerem Essen an Bord. Obwohl der Flug nur gut 90min dauert gibt es auf Wunsch Nachschlag und Getränke. Alles im Preis mit drin (ca. 280€ für Hin- und Rück-Flug). Dann landen wir in Stockholm. Grenzkontrolle, Kofferkontrolle. Alles unkompliziert.
Wir haben jetzt seit einem Jahr immer neue Regeln, Vorschriften und Einschränkungen erlebt, dass wir große Zweifel hatten, ob wir es bis hier hin schaffen. Alle zu hause haben gesagt, dass es unmöglich ist. Aber es ist möglich. Als wir am Flughafen Stockholm aus dem Kontrollbereich gehen, wissen wir: wir haben es geschafft! Wir haben es tatsächlich geschafft. Wir sind in Schweden.

Wir werden im Flughafen abgeholt und zum Hotel gefahren. Eine schöne, ruhige Fahrt. Und im Hotel werden wir herzlich willkommen geheißen. Es ist jetzt genau Mitternacht: ich bin soeben 50 geworden und ich bin in Schweden. Und der nette Portier lächelt herzlich und gratuliert. Ein Lächeln, ein echtes offenes Lächeln. Gesichter ohne Maske machen so glücklich!

Stockholm Hier ist noch Individualität erlaubt Stockholm


20. Februar
Vor dem Frühstück bin ich erst mal in's Gym gegangen und habe 5km auf dem Laufband gewandert. Mein Knie ist halt immer noch nicht perfekt, deshalb wollte ich nicht laufen. Aber ich kann mit 7km/h marschieren, das ist auch erst mal ok. Nach dem Frühstück freue ich mich über die vielen, vielen, vielen Geburtstagsgrüße aus der Heimat, die Mail und Messenger ankommen. Dann machen wir einen Stadtbummel. Es ist ca. 4°C und Nieselregen, so dass ich mir eine Mütze besorge. In einem Geschäft! Wahnsinn: ich gehe in einen Laden und kaufe eine Mütze. Ein wunderbares Gefühl. Die Einkaufs-Straßen sind voll und in die Menschen gehen Shoppen. Alle ohne Maske und ich trinke den Blick in ihre Gesichter wie klares Wasser nach einer sehr langen Durststrecke. Immer wenn ich jemand lächeln sehe und das geschieht dauernd, zucken meine Mundwinkel mit, als müssten sie das erst wieder lernen. Zurück lächeln. Geht. Tut so gut!

Aifur Aifur Aifur


Als wir wieder am Hotel sind, werden wir abgeholt und fahren zu Freunden, die in Schweden wohnen. Ein schönes Haus, etwas außerhalb. In Deutschland ist es illegal, wenn Freunde Freunde besuchen und wird bestraft. Da gibt es ausgefeilte Paragraphen, wer wen wann treffen darf und was alles verboten ist. Hier ist das erlaubt. Als ich erzähle, dass in Deutschland die Polizei ein Haus stürmen kann, wenn die Nachbarn verraten, dass sich mehr Menschen treffen als zugelassen ist, ernte ich betroffenes Schweigen und Mitleid. Es erinnert mich an meine Jugend, wenn mal Besuch aus der DDR bei uns war.

Abends gehen wir in's Aifur, ein wirklich spektakuläres Wikinger-Restaurant und essen unter anderem Rentier-Steaks. Sehr lecker, beste Atmosphäre, tolle Stimmung. Dieses Restaurant ist großartig. Danach trinken wir in einer schlechten Bar noch ein schlechtes Bier und gehen in's Hotel.

Flughafen Stockholm Flug mit KLM Heimfahrt


21. Februar
Morgens gehe ich wieder in den Fitnessraum des Hotel. In Deutschland ist das ja verboten. Ich traue mich heute, das Laufband auf 8km/h zu stellen und marschiere meine 5km in 45min. Top! Nach dem Frühstück habe ich erst mal einen Schreck: meine Buchung ist falsch gelaufen und ich habe die Flüge aus versehen auf den 23. statt auf den 21. gebucht. Wir fahren deshalb etwas früher als geplant zum Flughafen und regeln das vor Ort. KLM ist super! Danke. Wir müssen noch einen Schnelltest machen, der in einem Büro im 13. Stock abläuft. Toller Ausblick. Ab zum Gate und ab nach hause.

Auf dem Heimflug sehe ich von oben große Windparks in der Nordsee, bevor wir dann im Amsterdam landen. Hier kontrolliert niemand irgendetwas und wir erreichen das Auto ohne Probleme. Als letztes Sahne-Häubchen zum Ende eines ganz großen Wochenendes machen wir das Cabrio-Dach auf und genießen den warmen Sonnenuntergang.

Fazit: so, genau so habe ich mir meinen Geburtstag gewünscht.

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